Anarchisten wie David Graeber und Cindy Milstein haben den Begriff präfigurative Politik verwendet, um das anarchistische Prinzip zu beschreiben, dass die Art und Weise, wie wir uns in der Gegenwart organisieren, die Art von Gesellschaft reflektieren sollte, die wir in der Zukunft zu erschaffen hoffen. Das Konzept der Präfiguration entstammt allerdings der christlichen Theologie, die von einer zukünftigen Erlösung ausgeht, die dermaßen gewiss ist, dass sie rückwärts durch die Zeit strahlt und ihre eigenen Vorläufer hervorbringt. Auch etliche Marxisten betrachten die Geschichte als die unvermeidliche Entfaltung eines bestimmten Prozesses - eine Art säkulares zweites Aufkommen des christlichen Millenarismus. Die meisten Anarchisten hingegen sehen die Zukunft nicht als gegeben an, vor allem nicht im heutigen Kontext des ökologischen Zusammenbruchs. Es könnte sich also lohnen, das Konzept der präfigurativen Politik zu überdenken, um zu prüfen, ob es unseren heutigen Bedürfnissen noch gerecht wird.
Wir freuen uns, den folgenden Text von Uri Gordon präsentieren zu können, in dem er die Ursprünge des Konzepts der Präfiguration und sein Auftauchen im anarchistischen Diskurs einer gründlichen Untersuchung unterzieht.
(. . . Fortsetzung in espero, Nr. 4 | Januar 2022)